Ein Tinyhouse – das wäre doch toll: minimalistisch – nachhaltig – günstig. Damit liegt man voll im Trend. Ein Traum vieler Menschen, die auf der Suche nach einer Bleibe sind. Auch mich fasziniert der Gedanke, mit möglichst wenig bzw. nur dem Nötigsten auszukommen. Doch wie ist es wirklich in einem Tinyhouse zu leben? Ich hatte die Gelegenheit mich darüber mit Petra auszutauschen. Petra ist 59, lebt alleine und arbeitet im Dienstleistungsbereich. Seit Februar diesen Jahres hat sie ein Tinyhouse gemietet.
Leben im Tinyhouse – ein Interview von Nina
Liebe Petra, kannst du uns dein Tinyhouse kurz beschreiben?
Mein Tinyhouse steht in einem Neubaugebiet, das Grundstück hat eine Größe von ca. 4ar, mein Haus eine Wohnfläche von 40m², wobei davon 6m² Terrasse sind. Zum Haus gehört noch ein kleiner „Schuppen“, der die Technik beinhaltet und mir als Abstellraum dient.
Was waren denn deine Beweggründe in ein Tinyhouse zu ziehen?
Die Idee entstand eigentlich bei einer Auszeit auf einer Alm, dort habe ich einige Monate in nur einem Zimmer gelebt und gemerkt, wie wenig ich zum Leben brauche. Das wollte ich gerne zuhause weiterführen und ein minimalistisches, nachhaltiges Leben ausprobieren. Ich stellte mir auch vor, dass ein Tinyhouse meinem großen Freiheitsbedürfnis gerecht werden würde. Ich muss auf niemanden Rücksicht nehmen, niemand fühlt sich durch Musik oder Feste gestört. Und natürlich hat auch der finanzielle Aspekt eine Rolle gespielt, mit dem Verdienst aus meinem Job kann ich keine großen Sprünge machen und wie die Mieten hier im Großraum Stuttgart sind, wissen wir alle.
Du wohnst jetzt ungefähr 9 Monate im Tinyhouse, haben sich deine Erwartungen erfüllt?
Im Großen und Ganzen nicht, vieles ist anders als erwartet. Aus ganz unterschiedlichen Gründen.
Da ist zum einen die Lage: Um mich herum entstehen lauter Einfamilienhäuser, daneben fühle ich mich richtig klein und habe das Gefühl, dass ich auch, im wahrsten Sinn des Wortes, übergangen werde. Alle möglichen Leute laufen einfach über mein Grundstück und merken gar nicht, dass es Privatbesitz ist. Ein Zaun kam für mich bisher nicht in Frage, da ich eigentlich die Weite brauche. Auch der Anschluss zu den Familien ist schwierig, ist bin ja in einer ganz anderen Lebensphase.
Dann das Haus selbst. Ich war überrascht, wie ungeschützt ich mich darin fühle, sowohl im Haus, als auch auf der Terrasse. Ich werde von allen Seiten gesehen, nirgends gibt es ausreichend Privatsphäre. Und selbst die Witterung beeinflusst mich mehr als in einer Wohnung. Wenn es regnet, höre ich es extrem laut aufs Haus prasseln der Wind pfeift um die Ecken und im Sommer ist es so heiß im Haus geworden, dass ich mir gut überlegen musste, ob ich koche oder nicht, um nicht noch mehr Wärme zu erzeugen. An Schlafen war drinnen bei über 30 Grad gar nicht zu denken, so dass ich im Sommer immer mal wieder bei Freunden geschlafen haben.
Das kennt man ja sonst eher von Dachgeschoßwohnungen
Ja, das stimmt. Dort kann man wenigstens nachts alle Fenster aufmachen. Das ist hier nicht möglich, denn jeder kann einfach ums Haus laufen und zum Fenster einsteigen. Ab und zu höre ich hier Jugendliche, die nachts auf der Straße grölen. Da habe ich dann das Gefühl, die sitzen hier neben mir. Das ist sehr unangenehme.
Das kann ich mir vorstellen. Wie ist denn dein Alltag im Haus?
Ich muss alles sehr gut organisieren. Wenn z.B. schlechtes Wetter ist, muss ich die Wäsche in der Dusche trocken, das bedeutet, ich kann dann nicht duschen bis sie getrocknet ist. Manchmal habe ich dann schon im Fitnessstudio geduscht. Diese Möglichkeit habe ich zum Glück.
Auch mit meinen Hobbies ist es schwierig. Ich bin ein sehr kreativer Mensch, z.B. nähe ich gerne. Die Nähmaschine steht im Schlafbereich auf dem Boden und meine Stoffe sind in verschiedenen Beuteln verstaut. Im Grunde bin ich ein sehr strukturierter Mensch, aber ehrlich gesagt, weiß ich bei manchen Sachen gar nicht, wo sie gerade sind. Vieles habe ich auch im Schuppen untergebracht, aber um da dranzukommen, muss ich zum einen immer aus dem Haus, zum anderen muss ich aus dem Schuppen dann erst das Fahrrad räumen, bevor ich an die Sachen kommen. Da vergeht mir manchmal die Lust und es ist auch sehr ermüdend.
Ja, man weiß ja auch, dass alles was mit großem Aufwand verbunden ist, nicht dauerhaft gemacht wird. Deshalb sind Multifunktionsmöbel auch nur bedingt geeignet, je nachdem wie groß der Aufwand eines Umbaus ist.
Das stimmt. Ein weiterer Punkt ist, dass mir eine Wohlfühlecke im Wohnzimmer fehlt. Es ist nur Platz für einen kleinen Sessel. Und überhaupt ist es alles sehr eng und zugestellt. Da musste ich mich anfangs auch erst daran gewöhnen.
Wichtig sind, gerade wenn man älter wird, ja auch die Sozialen Kontakte. Wie sieht es damit aus im Tinyhouse?
Das habe ich mir ganz anders vorgestellt. Ich habe davon geträumt, dass ich Leute einlade und wir dann im Garten ein Feuerle machen und es richtig gemütlich wird, bis spät in die Nacht. Aber ich kann niemanden zum Übernachten einladen, es ist einfach kein Platz für eine Gästematratze.
Mehr als 2 Personen haben an meinem Tisch keinen Platz, wenn zum Beispiel zwei BesucherInnen kommen, müssen wir zum Essen unsere Teller auf den Schoß stellen. Der Tisch ist einfach zu klein und für einen größeren ist kein Platz, denn dann ginge die Haustüre nicht mehr auf.
Wenn ich jemanden einlade, finde ich es manchmal auch unangenehm, dass z.B. im Bad sehr viele persönliche Gegenstände von mir sind, und der Besuch dann eben auch das alles sieht.
Ich vermute mal, du würdest dich nicht nochmal für ein Tinyhouse entscheiden
Nein, definitiv nicht. Es war eine Erfahrung, aber ich bin froh, dass ich jetzt eine schöne, bezahlbare Wohnung gefunden habe. Ich war dieses Jahr viel unterwegs und in jedem Hotelzimmer habe ich aufgeatmet und gedacht, wie schön es ist, einfach etwas mehr Platz zu haben. Jedes Mal hatte ich das Gefühl wieder atmen zu können.
Hast du vielleicht noch einen Tipp, für diejenigen, die sich für ein Tinyhouse interessieren?
Man muss sich gut überlegen, ob das auf Dauer die richtige Wohnform für einen ist. Und sicher spielt auch die Lage eine wichtige Rolle.
Ich bin im Grunde ein sehr sozialer Mensch und habe im Tinyhouse die Einsamkeit extremer gespürt. Denn man kann nicht ständig Besuch einladen und wenn man Besuch hat, ist das Tinyhouse einfach auch nicht optimal. Ich freue mich jetzt sehr auf meine neue Wohnung und Nachbarschaft. Kurze Begegnungen im Hausflur oder beim Briefkasten leeren oder einfach mal beim Nachbarn klingeln, wenn ein Ei für den Kuchen fehlt, das habe ich schon sehr vermisst. Auf Dauer ist ein Tinyhouse nichts für mich.
Liebe Petra, ich danke dir für das Teilen deiner Erfahrungen und wünsche dir alles Gute.
Nina