Harriet und ich (Jeanette) kennen uns schon eine Weile und haben uns über den Beruf vor über 10 Jahren kennengelernt, da sie auch Interior Designerin ist.
Deswegen habe ich auch mitbekommen, wie sie sich mit ihrem Mann Stefan ihr Traumhaus auf der Schwäbischen Alb gebaut hat – übrigens ein wunderschönes Zuhause!
Und dann erzählt sie mir 2022, dass sie – beide 55 Jahre – alles verkaufen werden und einen Neustart in Südafrika machen.
Einfach alles Loslassen.
Seither verfolge ich ihre Reise auf Facebook und Instagram und ich freue mich für Sie, dass sie ihren Traum lebt. Und weil das auch ein schönes Thema ist, wie wohnen und zuhause gelebt werden kann, habe ich mit ihr ein Interview gemacht:
Viel Spaß beim Lesen!
Hier das Interview von Jeanette mit Harriet:

Du hast dein Zuhause verkauft und lebst seit 2022 im Trailer – was hat dich/euch zu diesem radikalen Schritt bewegt?
Kleine Vorgeschichte: Jeder von uns beiden war schon bevor wir in unseren Endzwanzigern zusammenkamen viel auf abenteuerlichen Reisen unterwegs. Und so waren auch unsere gemeinsamen mehrwöchigen Fernreisen immer unsere Highlights, deren Erinnerungen an Weite, Natur, Abenteuer, Zeit, reduziertes Leben und Zweisamkeit wir bis heute tief in uns tragen. Dann nahmen uns der Alltag, Jobs und Selbständigkeit immer mehr ein, die Abstände der Reisen wurden größer, die Dauer kürzer. Wir haben beide viel aufgebaut, bewegt und erreicht – und dabei auch viel verloren: Zeit, Gesundheit und Freiraum. Die Jahre ähnelten sich und flogen nur so vorbei. Was blieb war die Sehnsucht nach mehr Freiheit, Wohlgefühl und Selbstbestimmung.
Dann stoppte mich ein Autounfall 4 Wochen nach Einzug im neuen Haus. Plötzlich hätte alles vorbei sein können. Langsam schlich sich der Gedanke ein, der unsere Art zu leben in Frage stellte. Und Corona drei Jahre später mit all seinen menschlich-gesellschaftlich-wirtschaftlichen Schmerzen ließ uns die leisen Gedanken aussprechen. Wir schauten genauer und tiefer auf unser Leben, von dem wir nicht wissen, wie lange wir es – auch gemeinsam – leben dürfen. Und stellten dabei fest, dass unseres viel zu viel von Äußerlichem, Materiellem und Fremdbestimmten hat und viel zu wenig von dem, was unsere Seelen wirklich brauchen.
Dann war es eine einzige Frage, die uns zu diesem Schritt bewegt hat: Wann und wo waren wir immer am glücklichsten? Und die Antwort war die Entscheidung:
Beim Leben in der Natur, beim Reisen, Länder und Menschen kennenlernen, in der Stille, beim Lebensräume und Tiere entdecken. Mit viel Zeit und materiell reduziert.
Wir gehen All-in: Loslassen kommt vor Freiheit.

Was bedeutet „Zuhause“ für dich heute – ohne feste Wände, aber mit ständig wechselndem Horizont?
Zuhause ist für uns in der Natur. Wir reisen nicht nur umher, sondern leben auch an vielen der entdeckten Orte. Diese Freiheit, einfach spontan zu bleiben, solange wir möchten, empfinden wir als Luxus.
Dort mit unserem Trailer zu stehen, die Tages-/Nacht- und Jahreszeiten, das Wetter, den Rhythmus der Natur, Tiere und die vielen Details hautnah zu erleben ist wunderbar. Unser Leben spielt sich draußen ab – auch unsere Küche vom Trailer ist außen.
Ein Zuhause ist für uns nicht an einen festen Platz gebunden, den wir uns, wie z.B. damals in Deutschland, einmal ausgesucht haben. Ein Zuhause kann überall sein: dort wo es uns gefällt. Dort, wo Menschen uns willkommen heißen. Oder dort, wo unser momentanes, inneres Bedürfnis am meisten befriedigt wird: Einmal sind es die rauhen Berge oder grünen Täler, dann das blaue Meer. Einmal die Weite und Stille der Wüste, dann der wilde Bush. Dieser wechselnde Horizont macht weit. Wir fühlen uns heimgekommen, genießen und lassen wieder los. Für das nächste Zuhause.

Welche inneren Veränderungen hast du erlebt, seit du dich von so vielem Materiellen getrennt hast?
Vieles Materielle war für mich anscheinend wichtig, Interior Design war ja sogar mein Beruf. Ich war stolz auf unser wunderschönes, ganz auf unsere Bedürfnisse gestaltetes Haus. Ich habe mich an schönen Gegenständen, Farben, Materialen erfreut – und tue es immer noch.
Doch die Fülle an Materiellem macht unser Leben nur äußerlich voll und hat nichts mit einem erfüllten Leben zu tun.
Heute sitze ich statt in einem Eames DAR von Vitra im Camping Stuhl, esse statt vom dänischen Porzellan vom Emaille-Teller oder freue mich an einer heißen Dusche, auch ohne Dach, Misch-Armatur und Fußbodenheizung – und bin glücklich!

Wie gestaltest du dir im Trailer trotzdem deinen Raum, der dir Rückzug und „Zuhause“ gibt?
Das Trailer-Interior ist einfach und Offroad-tauglich und dennoch wohnlich gestaltet ganz nach dem Leitsatz „form follows function“ 😉 Uns war wichtig, alle Bereiche und Funktionen ohne Umbau und gleichzeitig von uns beiden nutzen zu können. So haben wir auch zwei getrennte Bereiche geschaffen, die Rückzug bieten: Hinten ein großes Bett, das auch als Loungebereich dient – hier lümmel ich zum Beispiel sehr gerne zum Musikhören oder Schreiben. Und vorne im Trailer haben wir eine Dinette (Sitzkombination aus Tisch und zwei gegenüberliegenden Sitzbänken).
Wir lieben unser Trailer-Zuhause, das uns Schutz gibt bei Wind, Regen oder vor wilden Tieren. Wir genießen die gemütlichen Abende darin, wenn es draußen zu kühl wird. Auch in Afrika gibt es Winter.
Doch sehr oft findet Rückzug auch – wie unser ganzes Leben – draußen statt: hier gibt es viel Platz für eine Yogamatte und Gym, für einen Stuhl zum Lesen oder Lauschen, Wege zum Laufen und manchmal auch zum Mountainbike fahren.

Gab es unterwegs Momente, in denen du das alte Zuhause vermisst hast?
Auch wenn es sich fast unglaublich anhört – nein, nicht einen einzigen Moment! Bei uns beiden nicht. Ich bin selbst ein bisschen erstaunt darüber, hatte damit gerechnet, dass es solche Momente geben könnte. Doch sie blieben aus – kein Vermissen des erst 5 Jahre alten Hauses, kein Vermissen der harmonisch gestalteten Einrichtung und Möbel, kein Vermissen der komfortablen Ausstattung und Gebrauchsgegenstände, kein Vermissen der Vielzahl an Klamotten, Schuhe und Accessoires – nichts, im Gegenteil: ich fühle mich frei. Und leicht. Denn wenig braucht auch wenig Zeit und Geld für Anschaffung und Pflege. Und das nicht vermissen zeigt mir, dass diese Dinge nicht wirklich wichtig sind und unsere Entscheidung absolut richtig.

Was hast du über dich selbst gelernt, seit du unterwegs bist – fernab von Routinen, Möbeln, festen Räumen?
Sehr viel – unser neues Leben ist nicht nur eine Reise in Afrika, es ist eine Reise zu uns selbst.
Zum Beispiel habe ich gelernt, voll im Hier und Jetzt zu leben. Keine Pläne und Kontrolle mehr, einfach mal das Leben laufen lassen. Mit diesem Vertrauen und der Offenheit habe ich unglaublich viele wunderbare Begegnungen, faszinierende Orte, spannende Abenteuer und unvergessliche Momente erleben dürfen, die hätte ich so nie planen können 😉
Es passt so viel mehr in unser Leben als das, was wir uns durch unser äußeres und inneres Korsett festgesteckt haben.
Gleichzeitig gehe ich mit Unvorhergesehenem und Herausforderungen ganz anders um. Es gibt nichts zu hadern, denn sie können ja keine Pläne mehr durcheinanderwerfen. Sie sind einfach da. Und wollen schnell gelöst werden. Denn ein Problem hat in unserem reduzierten Leben meist eine direkte Auswirkung. ich bin jetzt darin noch besser als früher: Lösung finden und umsetzen!
Außerdem habe ich gelernt, meinen Fokus aufs Leben zu legen und Verpflichtungen drum herum, nicht umgekehrt. Denn ich habe gefunden, nach was ich wohl lange gesucht hatte: Das Leben selbstbestimmt zu gestalten.

Wenn du eines Tages wieder sesshaft werden solltest, – wie müsste dein neues Zuhause aussehen?
Der Gedanke an Sesshaft werden und wieder ein Haus bauen ist noch sehr weit weg, doch sammeln sich durchs Reisen und die Erfahrungen an den verschiedenen Zuhause-Plätzen und Besuchen bei gastfreundlichen Menschen viele Ideen in meinem Kopf – einmal Interior-Designer, immer Interior-Designer 😉 Danke für die Frage, sie bringt diese Inspirationen nun aufs Papier:
Im Moment sehe ich da ein kleines, gemütliches Farmhaus in bergiger Landschaft mit grünen Oasen, freiem Rund-Um-Blick und am Horizont das Meer. Gebaut in U-Form auf einem Podest, so dass es sich in die Landschaft, ihre Formen und Unebenheiten einschmiegen kann. Große (Schiebe-) Türen führen aus allen Bereichen auf umlaufende, miteinander verbundene, teilweise leicht lichtdurchlässig überdachte Holzterrassen. Das Haus ist innen zum Dach hin offen und perfekt nach allen Himmelsrichtungen ausgerichtet:
Nach Osten zum Sonnenaufgang ein abgetrennter Bereich für Bett und Bad mit zusätzlicher Außendusche. Richtung Norden (hier im südlichen Afrika wandert die Sonne über den Norden nach Westen) der offene Bereich Küche und Essen, der sich durch die mittlere, von den Seitenwänden der U-Form windgeschützten Terrasse (Atrium/Patio nach vorne offen) mit gemauertem Grill erweitert. Ein Holzofen/Kamin im Innern sorgt für Wärme im Winter. Lichtbandfenster auf der Südseite. Richtung Westen der Wohnbereich, von dem es über Stege zur Feuerstelle und im Gelände verteilte Sitz- und Sundowner-Plätze geht.
Das Farmgebäude ist in natürlichen (lokal typischen) Materialien und Natur-Farbtönen mit dunklen Kontrasten gestaltet. Reduzierte, funktionale Einrichtung mit bequemen, harmonisch geformten neuen und gebrauchten Möbeln. Mix aus afrikanisch-ländlich-skandinavisch, einladend und wohlig.

Vielen Dank, Harriet, für deine offenen Antworten, die uns mitgenommen haben in dein neues Leben – manchmal ist das Zuhause ganz tief in einen drinnen.
Und vielen Dank auch für deine atemberaubenden Fotos – ich konnte mich gar nicht entscheiden, welche ich einfügen soll.
LG Jeanette

Mehr Infos zu Harriet Keil gibt es auch hier, folge ihr gerne!